Am Donnerstag, dem 29. November legte General Pervez Musharraf zum zweiten Mal seinen Eid als Präsident ab. Am Mittwoch war er als Armeechef zurückgetreten und hatte damit seine „zweite Haut”, seine Uniform, abgelegt. Bereits 2004 hatte er seinen Rücktritt als Militärchef angekündigt, seinerzeit jedoch einen Rückzieher gemacht. Öffentlichkeitswirksam ließ Musharraf die Übergabe des Befehlsstabes an General Ashfaq Kayani im Fernsehen übertragen, um so seine Legitimität als Präsident unter Beweis zu stellen.
Pakistan und die Generäle
Alle Vorgänger Musharrafs – so etwa General Ayub Khan und General Yahya Khan – mussten unter großem Druck und nach Demütigungen ihre Ämter niederlegen. Ayub Khan war der erste Regierungschef, der nach einem Militärputsch 1958 das Kriegsrecht verhängte. 1968 zwangen ihn politischen Unruhen zur Aufgabe der Macht. Sein Nachfolger Yahya Khan musste 1971, nach dem verlorenen Krieg gegen Indien und der Abspaltung Bangladeschs von Pakistan, die Macht an eine zivile Regierung abtreten. Der Dritte, General Ziaul Haq, kam nach elfjähriger Diktatur 1988 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
Musharraf hingegen sicherte sich durch zahllose machiavellistische Tricks, die große politische Turbulenzen verursachten, einen ruhigen Abschied vom Militär, um sich als Zivilist im Präsidentenpalast niederzulassen.
Seit mehr als neun Jahre regiert Pervez Musharraf Pakistan mit eiserner Faust. Wegen seines Putsches am 12. Oktober 1999 gegen den damaligen Premierminister Nawaz Sharif galt Musharraf lange als international unerwünschte Person. Die Terroranschläge in New York und Washington am 11. September 2001 brachten eine Wende zum Besseren für den General, der in der Folge zu einem gesuchten Partner westlicher Regierungen wurde. Seine bedingungslose Zusage, gemeinsam mit den USA und den Alliierten den Kampf gegen den Terrorismus zu führen, machten Musharraf salonfähig. Als wichtiger Verbündeter von Regierungschefs wie George W. Bush und Tony Blair konnte der General seine Macht hemmungslos gegen politische Gegner wie Benazir Bhutto und Nawaz Sharif einsetzen.
Als die Kritik an seiner Doppelrolle als Militär- und Staatschef in den letzten zwei Jahren immer lauter wurde, ging Musharraf in die Offensive und erklärte: „Die Uniform ist meine zweite Haut, ich liebe sie.“ Kritik an seinen beiden Ämtern wies er immer wieder mit dem Argument zurück, dies sei „notwendig und unentbehrlich für die nationalen Interessen des Landes.”
Übergang oder Untergang?
Als Stabschef hatte Musharraf unmittelbaren Zugang zum Zentrum der Macht, dem Militärhauptquartier in der Garnisonstadt Rawalpindi. Alle Militärgeheimdienste, einschließlich Inter-Services Intelligence (ISI) und Military Intelligence (MI), sowie die Militärführung und die oberste Zivilbürokratie standen ihm rund um die Uhr zur Verfügung. Wird Musharraf, nun da er seine Uniform abgelegt hat, ein zahnloser Präsident sein? Wird sich sein Nachfolger, General Ashfaq Kayani, dem Präsidenten bedingungslos unterordnen? Wird Mister Musharraf die komplizierte politische Landschaft Pakistans ebenso effektiv kontrollieren, manipulieren und beeinflussen können wie bisher in seiner Doppelrolle? Wie wird sich die polarisierte politische Landschaft unter den neuen Machtverhältnissen entwickeln?
Diese Fragen bieten großen Diskussionsstoff. Wie sich das Verhältnis von Musharraf zum neuen Armeechef entwickeln wird, bleibt zu sehen. Die demütigenden Rückschläge, die die Armee zuletzt unter Musharrafs Führung in der Gebieten nahe der Grenze zu Afghanistan hinnehmen musste, dürften seinem Nachfolger nur allzu schmerzlich bewusst sein. Anzunehmen ist, dass General Kayani versuchen wird, die Konflikte in Waziristan, die separatistische Bewegung in Belutschistan (an den Grenzen zu Iran und Afghanistan), sowie mit den Taliban im Nordwesten (Badschaur, Swat) auf seine Art beizulegen.
General Kayani wird zudem sehr daran gelegen sein, die politische Rolle des Militärs allmählich zu reduzieren, um so das Image der Sicherheitskräfte zu verbessern. Musharrafs Bestreben, seine eigene Macht zu erhalten und zugleich, unter Führung der USA, im Anti-Terror-Kampf Erfolg zu haben, bedeuten für General Kayani ein schweres Erbe. Eine weitere Herausforderung für den neuen Armeechef werden die Wahlen am 8. Januar 2008 sein.
Ein bisschen freie Wahlen
Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes am 3. November und die Entlassung von mehr als 60 Prozent aller Richter, schaffte sich Musharraf weitere Feinde. Für sehr viele Pakistanis sind die Gerichte heute weder glaubwürdig noch neutral, die Übergangsregierung genießt wenig Ansehen, und an die Unbefangenheit der Wahlkommission mögen die wenigsten glauben. Der aus dem Exil zurückgekehrte Ex-Premierminister Nawaz Sharif verlangt, als eine Voraussetzung für gerechte Wahlen, die Wiedereinsetzung der Richter und die Aufhebung des Ausnahmezustandes. Für den Fall, dass Musharraf und die Militärs diesen Forderungen nicht nachkommen, drohen Sharif und einige weitere Politiker mit einem Boykott der Wahlen.
Bei den Wahlen am 8. Januar wird voraussichtlich keine Partei einen großen Vorsprung vor den anderen, geschweige denn eine absolute Mehrheit erzielen können. Das Ergebnis wird ein Parlament sein, das nur schwer in der Lage sein wird, eine Regierung zu bilden – was zu weiterer politischer Instabilität führen wird. Daran wird auch die noch offene Frage nichts ändern, ob sich alle Parteien zu Musharrafs Bedingungen an den Wahlen beteiligen werden oder ob die Wahlen, um der Opposition entgegenzukommen, um einige Wochen verschoben werden.